Die Bundestagswahl 2009 ist gelaufen und es herrscht Katerstimmung.
Die Hochrechnungen zeigen eine regierungsfähige Mehrheit für CDU/CSU und FDP, sowie eine historische Klatsche für die SPD. Sofort reagiert das Netz und klagt auf allen Kanälen.
Warum, mag man sich fragen. Das ist letztendlich genau das, was sich das Netz lange und mühsam erarbeitet hat, aber der Reihe nach:
Über Monate hinweg waren die Netzuser aktiv und haben sich politisch angagiert, wie nie zuvor, dazu gehört allerdings auch das SPD-Bashing, welches überall betrieben wurde. Man hat kein gutes Haar an den Genossen gelassen und dies in beinahe allen Fällen zurecht, will ich hier anmerken. Was allerdings nicht sein kann ist das Gejammer, was sich nun in Twitter und den Blogs findet. Auf der einen Seite dazu beitragen dass die SPD kein Land mehr sieht und auf der anderen Seite die Auswirkungen nicht abschätzen können.
Was habt ihr denn erwartet? Front machen gegen SPD, CDU und FDP alleine reicht nicht aus. Auch wenn die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD nicht mehr im alten Glanze strahlen, vor allem was die Stimmen anbelangt, so kann man sie nicht im Handumdrehen auf das Niveau der restlichen Parteien drücken. Beide Parteien haben Stammwähler, die wechseln nicht, das haben sie Jahrzente lang nicht und heute auch nicht. Von diesen unverrückbaren Stammwählern hat die CDU/CSU offensichtlich mehr als die SPD. Gut, das hätte zu einer Fortführung der grossen Koalition reichen können, die sich einer starken Opposition aus FDP, Grünen und Linken gegenübergesehen hätte, oder hat wirklich jemand mit rot-rot-grün gerechnet? Das ist auf Bundesebene nicht möglich, dazu haben sich die Parteioberen klar genug geäussert.
Inhaltlich hat es für die SPD im „Wahlkampf“, ihn als solchen zu bezeichnen ist schon beinahe lächerlich, sich primär mit „schwarz/gelb verhindern“ beflaggt. Viel mehr ist beim Bürger nicht angekommen. „Ansonsten sind sie halt sozialer als die CDU oder die FDP“, aber welche Wahlkampfthemen sie sonst nocht anboten, das kam nur selten durch. Diese Wahlkampfthemeninkompetenz hat sicherlich dazu beigetragen dieses historisch schlechte Ergebnis einzufahren. Ausserdem gehen aus einer grossen Koalition niemals zwei Gewinner hervor, eher zwei Verlierer, wie in diesem Falle. Die Verluste hat die SPD allerdings fast alleine für sich beansprucht, auch das muss man erstmal nachmachen.
Damit die SPD in den nächsten 4 Jahren nicht in der Versenkung verschwindet muss viel passieren, woran ich allerdings meine zweifel habe, posaunt doch Müntefering schon die Fortsetzung seines, sowie Steinmeiers, Posten hinaus. Für die Umstrukturierung, die die SPD nötig hat, müssen Köpfe rollen. Die Führungsspitzen haben das Ergebnis nicht alleine verbrochen, zeigten allerdings auch, dass sie nicht in der Lage waren ein anderes Ergebnis zu erreichen.
Die CDU hatte den Kanzlerinnenbonus und hat sich geschickt herausgehalten aus dem Wahlkampf, da hat wohl die Erfahrung der Landtagswahl in Hessen geholfen. Viel mehr gibt es zur CDU auch nicht zu sagen, sie haben ein paar Stimmen abgegeben, die FDP viele Stimmen gewonnen und somit ist der Kopf für die nächsten 4 Jahre erstmal gerettet.
Grüne und Linke haben von den Verlusten der „Grossen“ proftieren können, aber das konnte man zuvor erwarten.
Die FDP kann wohl als die Wahlsiegerin angesehen werden, haben sie doch Stimmen aus den beiden grossen Lagern abziehen können. Der Wähler schätzt klare Aussagen und die hat die FDP gegeben, da kann man von ihr halten was man will, man wusste was man bekommt, wenn man sie wählt: Eine Koalition mit der CDU/CSU. Ich bin gespannt ob nun der Versuch einer konstruktiven Regierung gestartet wird, oder man die Grabenkämpfe mit der CSU weiterführt, sich um Ministerposten zankt und auf einmal merkt das 4 Jahre schon wieder rum sind, man aber nichts geleistet hat. Inwieweit die klaren Forderungen an den Koalitionspartner eingehalten werden, wird ebenfalls interessant zu beobachten sein, gehen doch die Vorstellungen der FDP komplett gehen Schäubles Einschränkung der Freiheitsrechte, immerhin ist die FDP die Partei mit dem eindeutigsten Nein-Votum aller im Bundestag vertretenen Parteien, als es ums Thema Zugangserschwerungsgesetzt ging.
Bleibt noch die Piratenpartei, die mit gut 2% der Wählerstimmen einen schönen Batzen Geld gesammelt hat und damit in den nächsten 4 Jahren eine gute Struktur schaffen kann, um dann einen starken Wahlkampf zu führen, der hoffentlich aus mehr Kompetenzthemen bestehen wird und vor allem in der Lage sein wird, diese Themen zu vermitteln.
Das wünsche ich mir vor allem vom politischen Teil der Netzgemeinde, die mit Ideen wie dem „…und alle so: Yeeaah!“ Flashmob eine gute Idee ins Leben gerufen hat, allerdings bei der Vermittlung ihrer Ziele versagte. Da war die Freude über die Erwähnung in den Tagesthemen grösser als die Objektivität, sich einzustehen, dass man offensichtlich nicht in der Lage war, das Grundanliegen medienwirksam zu vermitteln. So sind sie vor allem als Störer aufgefallen, als als kritische Sprecher einer politischen Generation, die sich abseits der eingestammten Medien bewegt.
Nun lasst uns demokratisch handeln: Der Wähler hat entschieden und ein Ergebnis geschaffen, dass eine Regierungsbildung ermöglicht. Die gewählte Regierung wird sich in den nächsten 4 Jahren beweisen müssen, wer weiss, vielleicht wird man überrascht sein. Wenn nicht, dann hatten doch alle wieder Recht und in 4 Jahren kann neu gewählt werden. Bis dahin sollten sich die Oppositionsparteien die Zeit nehmen und an ihrer Eigenständigkeit arbeiten, bzw. sich im Falle der SPD, wieder aufzubauen.